Von der Bahre bis zur Wiege oder vom südlichsten zum nördlichsten Domizil

Von Christian Kröger

Von der Bahre in Ingolstadt - denn wenn ihr mich hier wieder loswerden wollt, müsst ihr deutlich ekelhafter werden - zur Wiege, die für mich im Itzehoe in Schleswig-Holstein stand.

40 Jahr Abitur - das ist mal wieder ein Anlass, „nach Hause“ zu fahren. Die Frau kommt nicht mit? Dann kann ich doch mal mit dem Rad fahren - für mich eine persönliche Challenge: So ist eine Idee entstanden. Schnell stand fest, dass der Crosser mit Tubeless und 30er Straßenreifen die bessere Wahl ist. Ob die Übersetzung passt, sollten die Trainingskilometer zeigen. Bei dem Frühjahr ist da wenig zusammengekommen und die Zuversicht, ob ich das schaffen kann, sank von Woche zu Woche. Die Freunde entlang der Strecke, bei denen ich nächtigen wollte, waren alle gebucht, das Gepäck war vorbereitet. Eine 2 Liter Satteltasche sollte reichen - weniger ist mehr. Aber das Frühjahr wollte nicht kommen. Der geeignete Zwiebellook für 2 °C bis 25 °C musste definiert werden. Und dafür musste dann doch noch ein kleiner Rucksack mit.

Mit Garmin Connect wurde die Strecke schnell geplant: nicht zu viele Höhenmeter, Tagesrouten unter 220 km, eine Mittagspause im Zug zwischen Fulda und Kassel überbrückt 110 km und einen Teil der Kasseler Berge.

Der Wetterbericht zeigt regenfreie Tage an und am Mittwoch sitze ich tatsächlich bei 4 Grad in der Früh auf dem Sattel. Schöne, meistens bekannte Strecken führen mich nach Weißenburg. Bei Velovita habe ich lange vor Ladenöffnungszeit meinen ersten Espresso von Christoph erhalten. Vielen Dank! Das Geschäft erschlägt einen fast mit der Menge von Atem beraubenden Bikes und Rädern.

Mit kurzen Passagen an der B13 komme ich zum Altmühlsee - die Sonne scheint, die Überschuhe und Beinlinge verschwinden im Rucksack.

Spätestens ab Ansbach befahre ich Neuland. So eine Navi-App leistet tolle Dienste und führt mich über kleinste Straßen an den Main. Elf Störche auf einer Wiese waren ein Highlight, das mich zum Anhalten bewegt hat. Mit dem Auto hätte man das nie gesehen. Der Hintern fängt an zu schmerzen. Macht nix - bin bald da. Direkt am Wasser und ohne weitere Steigungen komme ich nach Würzburg.

Maike, meine Tochter, hat Nudeln mit Spinatsauce vorgekocht, Getränke sind im Kühlschrank und die Steinerne Brücke im Herzen von Würzburg mit den netten Weinlokalen laden ein, den Sonnenuntergang zu genießen. Am nächsten Morgen sitze ich gut gestärkt wieder bei 4 Grad auf dem Rad. Erst weiter am Main entlang und immer mit toller Sonne aus dem Osten.

Der Hintern konnte sich nicht erholen - so‘n Scheiss. Die 200 km vom Vortag stecken auch noch in den Beinen. Die schöne Strecke wird umgeplant. Der Zug in Fulda hat Priorität. Nach 98 km bin ich am Bahnhof in Fulda. Gerade noch pünktlich geschafft - der Zug hat trotzdem Verspätung. Die Blasen am Hintern sind aufgeplatzt.

Von Kassel nach Holzen bei Einbeck wird die direkte Route mit 112 km gewählt. Genussschleifen lässt der Hintern nicht mehr zu und zu spät will ich auch nicht ankommen. Empfangen werde ich mit gekühltem Einbecker und lecker Essen. Bei gutem Wein werden danach die letzten 30 Jahre reflektiert.Abends habe ich schon mal nach alternativen Bahnverbindungen gegoogelt: Das Wetter wechselt und über Nacht heilen auch keine Blasen.

Morgens scheint die Sonne, 11 Grad - ich breche auf. Die ersten 50 km werden im Weserbergland von 600 Hm begleitet. Ein nettes Cafe an der Strecke hat gepolsterte Sessel - draußen geht ein Schauer Regen runter. Nach meinem Kaffee ist alles wieder vorbei. Fast: mehrere Anstiege mit insgesamt 400 Hm stehen an. Der Hannover Speckgürtel reduziert das Tempo. VW-Stöcken präsentiert sich mit hunderten ID-Buzz an den Werkszäunen.

Die Heide ist entspannt zu fahren: kein Wind und keine Anstiege - also nur Hintern. Wenn man nach 170 km immer noch nicht sitzen kann, die Handballen wund werden, Nacken und Schultern anfangen zu verkrampfen, dann kommt der Gegenwind im Alten Land wie gerufen - gerufen von Menschen, die es wirklich böse mit einem meinen. Aber 30 km vor dem Ziel ist der Zug keine Alternative mehr. Die Straßen sind feucht – es muss also geregnet haben – vor mir und hinter mir. 

Buxtehude, Flensburger Bier und eine üppige Brotzeit bei tollen Freunden lenken sofort ab. Draußen regnet es. Morgen noch kurz über die Elbe und die letzten 2 Stunden abstrampeln - die Sonne scheint - und ich habe es geschafft 💪🏻. Neben dem riesigen Airbus-Werk auf das Schiff, übersetzen und fertig - aber da kommt kein Schiff! Ebbe ist, wenn das Wasser weg ist und dann kann vielerorts kein Schiff fahren. Rauf aufs Rad, einmal schnell um die Airbuss-Werke nach Finkenwerder - dort ist genug Tiefgang -, dann aufs Schiff, auf der anderen Elbeseite am Wasser entlang Richtung Küste und dann durch die Marsch nach Itzehoe. 25 km Umweg aber doch noch 10 Minuten vor Termin in Itzehoe angekommen - Punktlandung.

Das Abitreffen war lässig und lange. Am Nordostseekanal und der Hafenstadt Glückstadt habe ich einen sonnigen erholsamen Sonntag verlebt. Mein Bahnticket zurück ist mittlerweile wegen Fahrplanänderungen storniert, aber ich bin tiefenentspannt. Montag wie geplant auf‘s Rad - 65 km bis zum Bahnhof in Hamburg und dort wird sich das schon finden. Stornierungs-E-Mails der Bahn waren ein Fehler, der Zug fährt wie geplant, ich hatte noch die Finger am Türöffner, war aber 10 Sekunden zu spät. Der nächste Zug hatte auch einen freien Fahrradstellplatz und in dem, auf bequemen Sesseln sitzend, konnte ich nach wenigen Stunden in Ingolstadt meine Rundreise beenden.

Die nächsten Tage bin ich im Stehen zur Arbeit geradelt und nach einer Woche war alles verheilt und ich freue mich auf die nächsten Radeltouren.

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